Unser Antrag im Gemeinderat: Kommunaler Wärmeplan für Heddesheim

In der Sitzung des Gemeinderats am 10. Dezember 2020 war der Klimaschutz in Heddesheim ein herausragendes Thema, durch den Sachstandsbericht der Klimaschutzbeauftragten, der Neufassung der Förderrichtlinien des Umweltförderprogramms und aufgrund des Antrags zum Bezug von Biogas für kommunale Liegenschaften. In allen Wortbeiträgen wurde die große Bereitschaft signalisiert, Heddesheim ambitioniert auf eine Realität ohne den Einsatz fossiler Energieträger vorzubereiten. Das gilt auch für uns: Dass ein wirksamer Klimaschutz stattfinden muss, steht für uns Freie Demokraten nicht zur Debatte. Doch wie wir diesen am besten erreichen können, müssen wir diskutieren.

Die entscheidende Frage, die sich heute stellt, ist: Welche Sektoren und welche Maßnahmen haben nun Priorität und welche Technologien sind für unsere spezifische Situation vor Ort am besten geeignet. Die FDP-Fraktion findet, hier besteht noch nicht ausreichend Klarheit und so bleibt die strategische Ausrichtung diffus.

Eine Grundausrichtung ist für uns entscheidend: Heddesheimer Maßnahmen sollten sich auf Bereiche konzentrieren, in denen ein wirksamer Effekt erzielt werden kann. Um wirksam zu sein, müssen Maßnahmen immer die bestehenden Rahmenbedingungen der EU und des Bundes berücksichtigen. Das betrifft insbesondere den EU-Emissionshandel (EU-ETS) und das nationale Emissionshandelssystem (nEHS). Die Logik dieser Mechanismen ist stets so: Der Ausstoß von CO2 ist nicht länger kostenlos, sondern erhält einen Preis. Somit entsteht ein wirtschaftlicher Anreiz den Ausstoß zu verringern. Verbraucher müssen sich dann nicht mehr den Kopf über Klimaschutzmaßnahmen zerbrechen, der Einsparanreiz kommt über den Preis. Somit werden viele Fragen des kommunalen Klimaschutz zu Fragen der Wirtschaftlichkeit. Gerade die Wechselwirkungen lokaler Maßnahmen mit dem EU-Emissionshandel sind etwas, was unserer Meinung nach zu wenig Beachtung findet. Als Faustformel gilt für uns: Die dem EU-ETS unterliegenden Sektoren sollten möglichst nicht mit lokalen Klimaschutzmaßnahmen belegt werden, es sei denn, es wird dadurch möglich, Emissionen oder Energiebedarfe, die bisher nicht dem EU-ETS unterliegen, in diesen zu verlagern.

Legt man diesen Maßstab nun den konkret diskutierten Maßnahmen zugrunde, wird deren Wirksamkeit hinsichtlich der Reduktion von Treibhausgasemissionen fragwürdig. Die Installation einer Photovoltaikanlage auf einem kommunalen Gebäude beispielsweise hat keinen Effekt, da die Gemeinde damit auch schon zuvor klimaneutralen Ökostrom substituiert. Auch wenn die Gemeinde keinen Ökostrom einkaufen würde, hätte die Maßnahme durch die Mechanismen des EU-ETS gesamteuropäisch keinen Effekt, außer der regionalen Verlagerung von Emissionen.

Deshalb plädieren wir nachdrücklich dafür nicht den Strom- sondern den Wärmesektor prioritär zu behandeln (was ausdrücklich nicht ausschließlich meint; insbesondere im Zusammenhang von Sektorenkopplung bleibt auch die Stromerzeugung ein sinnvolles Handlungsfeld). Die dezentrale Wärmeerzeugung hat einen viel geringeren Anteil erneuerbarer Energien, als der Stromsektor (>40%) und unterliegt auch nicht dem etablierten EU-ETS. Es ist also davon auszugehen, dass ein im Wärmesektor investierter Euro einen größeren Effekt hat als im Stromsektor. Zusätzlich ist es durch das neu etablierte nationale Emissionshandelssystem (nEHS) wahrscheinlich, dass sich perspektivisch die Wärmeerzeugung aus fossilen Brennstoffen signifikant verteuern wird. Ein rechtzeitiges Umsteuern ist daher wirtschaftlicher.

Gleichzeitig ist die Gemeinde in ihrer Vorbildfunktion im Wärmebereich viel mehr gefragt als im Strombereich. Aufgrund der dezentralen Struktur – in Heddesheim betreiben tausende Bürgerinnen und Bürger Heizungen in ihren Wohnhäusern – bietet das Aufzeigen von Handlungsoptionen, die die regionalen Gegebenheiten einbeziehen, eine willkommene Informationsleistung der Kommune.

Doch wie könnte eine Heddesheimer Strategie für eine klimafreundliche und volkswirtschaftliche kostengünstige Wärmeversorgung aussehen? Das Land mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes Baden-Württemberg ein neues Werkzeug beschlossen, das uns bei der Beantwortung dieser Frage helfen kann: kommunale Wärmepläne.

Wie aber funktioniert die kommunale Wärmeplanung genau? Der Prozess lässt sich in vier Schritte unterteilen [1]:

  1. Bestand und Einsparpotenziale des Energiebedarfs: Im ersten Schritt werden der aktuelle und zukünftige Wärmebedarf sowie die vorhandene Wärmeversorgungsinfrastruktur im gesamten Gemeindegebiet festgehalten.
  2. Erneuerbare Energien und Abwärmepotenziale: Im Anschluss erfolgt die Ermittlung lokal vorhandener technischer Potenziale aller EE (Biomasse, Geothermie, Solarthermie, Umweltwärme) und Abwärme (alle Quellen von industrieller Abwärme bis zur Abwärme aus dem kommunalen Abwasser).
  3. Entwicklung von Untersuchungsgebieten: Dabei wir die Ausnutzung von 100% der Potenziale von EE und Abwärme und die Dekarbonisierung bestehender Anlagen der zentralen und dezentralen Wärmeversorgung und -verteilung angestrebt.
  4. Lokale Wärmewendestrategie: Zum Schluss erfolgt die Entwicklung eines robusten Transformationsszenarios „Zielfoto 2050“ aus den möglichen Maßnahmen, um eine effiziente und dekarbonisierte Wärmeversorgung im Gemeindegebiet zu etablieren.

 

Aus diesem Grund, stellt die FDP-Fraktion folgenden Antrag:

Die Verwaltung wird damit beauftragt, einen kommunalen Wärmeplan für Heddesheim zu erarbeiten. Dieser soll als strategische Grundlage konkrete Entwicklungswege zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung aufzeigen, die die individuelle Situation in Heddesheim bestmöglich berücksichtigt.

Wissenschaftliche Prüfung des Antrages „Kommunaler Wärmeplan für Heddesheim“

Wir haben unseren Antrag nach wissenschaftlichen Kriterien und pro bono publico auf inhaltliche Korrektheit bezüglich der Klimaschutzwirkungen hin prüfen lassen. In seinem Gutachten schreibt Dr. Johannes Jarke-Neuert vom Exzellenzcluster „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS) an der Universität Hamburg:

Die Argumentation im Antragstext enthält keine erkennbaren Fehler.

Lokale Maßnahmen sind wichtige Voraussetzungen für das Erreichen der Klimaziele von Paris. Eine vollständige Dekarbonisierung bis zur Mitte des Jahrhunderts erfordert, dass die lokale Infrastruktur systematisch so gestaltet wird, dass diese selbst klimafreundlich ist und klimafreundliches Verhalten ihrer Nutzer aktiv unterstützt.

Dabei ist es wichtig zwischen Emissionen, auf die die kommunale Politik Einfluss hat, und solchen, die vorwiegend durch Entscheidungen des Landes, des Bundes oder der EU beeinflusst werden zu unterscheiden. Diese Aufgabe ist anspruchsvoll und erfordert besondere Aufmerksamkeit.

Im Allgemeinen sollten sich kommunale Maßnahmen, sowohl im Sinne des Klimaschutzes als auch im Sinne der Wirtschaftlichkeit, auf die Bereiche konzentrieren, in denen sie wirksam sind. Das sind die Sektoren, die nicht dem EU-Emissionshandel unterliegen, insbesondere Verkehr, dezentrale fossile Wärmeerzeugung und Landwirtschaft. Denn nur dort führen kommunale Maßnahmen nicht nur zu einer räumlichen Verlagerung der Emissionen. Ferner liegen dort im Vergleich zu Stromerzeugung und Industrie die größten technischen Potentiale, da aufgrund schwacher Anreize die Ausnutzung bisher gering war. Insbesondere mit integrierten Ansätzen („Sektorenkopplung“, z.B. Power-to-Heat und Power-to-Gas) lässt sich klimaneutral erzeugter Strom umfangreich nutzbar machen.

Die Schlussfolgerung, dass unter den gegenwärtigen und mittelfristig geplanten Rahmenbedingungen Maßnahmen in der Wärmeerzeugung eine höhere Klimaschutzwirkung erwarten lassen als Maßnahmen in der Stromerzeugung, ist entsprechend korrekt.

Da die Klimawirkung bei elektrischem Strom bereits „eingepreist“ ist (darüber hinaus mittels EEG-Umlage und ggf. freiwilliger „Ökostrom“-Zuschläge auch zusätzliche Förderungen der Erneuerbaren), dürfen Investitionen in Photovoltaikanlagen ferner nach rein wirtschaftlichen Kriterien getroffen werden. Durch den EU-Emissionshandel ist das Emissionsvolumen auf europäischer Ebene von spezifischen Investitionen in Erneuerbare weitgehend entkoppelt. Eine zusätzliche Photovoltaikanlage wird ohne entsprechende Löschung von Emissionszertifikaten daher praktisch keine Klimaschutzwirkung haben. Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist außerdem darauf zu achten, dass Abgaben auch auf den Eigenverbrauch anfallen.